Im Gespräch mit Präsident Kai Ostermann und Hauptgeschäftsführerin Dr. Claudia Conen
Präsident Kai Ostermann und Hauptgeschäftsführerin Dr. Claudia Conen sprechen rückblickend über die Krisenzeit, blicken auf das zweite Halbjahr 2021 und informieren über den neuen Verbandsschwerpunkt „Mobilität”. Das Gespräch wurde im Mai 2021 geführt.
Hinter uns liegen inzwischen fast 15 Monate Pandemie, die wir weitgehend im Ausnahmezustand durchlebt haben. Wie hat der Mittelstand rückblickend die Krisenzeit überstanden?
Kai Ostermann: Die Zeit war geprägt von den Auswirkungen der einschneidenden Corona-Maßnahmen und den extremen Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivitäten im vergangenen Jahr. Vielen Kunden brach quasi über Nacht ihr Geschäftsmodell weg, sie kämpften ums Überleben und mussten sich verschulden. Wir erlebten aber auch die Kreativität und Innovationskraft des Mittelstandes, Unternehmen entwickelten neue Geschäftsideen, um ihren Weg aus der Krise zu finden, Textilunternehmen produzierten Schutzkleidung, Webshops wurden in Windeseile umgesetzt, Veranstaltungen digitalisiert und ins Internet verlegt – um nur einige Beispiele zu nennen. Die Leasing-Wirtschaft begleitete sie, ermöglichte in vielen Fällen die Stundung von Leasing-Raten und half ihren Kunden, resilienter aus der Krise aufzubrechen.
Wie ist die Leasing-Branche selbst durch die Krise gekommen?
Ostermann: Alles in allem hat die Leasing-Wirtschaft die Krisenzeit bisher robust und verhältnismäßig stabil überstanden. Natürlich mussten die BDL-Mitglieder 2020 einen Rückgang des Mobilien-Neugeschäfts von rund 6 Prozent hinnehmen. Jedoch brachen die gesamtwirtschaftlichen Ausrüstungsinvestitionen um über 11 Prozent ein. Angesichts der Umstände und der Tatsache, dass das Referenzjahr 2019 ein Rekordjahr für die Leasing-Branche war, sind wir mit einem blauen Auge davongekommen. Zumal sich auch Zahl und Umfang der Insolvenzen bisher im überschaubaren Rahmen bewegen.
Welche Rolle spielten die Hilfsprogramme der Bundesregierung?
Dr. Claudia Conen: Wir haben uns seit Beginn der Corona-Krise für Liquiditätshilfen für KMU und Leasing-Kunden stark gemacht und uns dafür eingesetzt, dass mit den Mitteln aus den Hilfsprogrammen betriebliche Fixkosten wie Mieten und Leasing-Raten beglichen werden konnten. Jetzt belegt eine Studie der KfW, dass diese Unterstützung ankam: Nur 4 Prozent der befragten Unternehmen konnten während der Lockdown-Phasen im Januar 2021 und im April 2020 ihre Leasing-Raten nicht bedienen. Im Juni und September 2020 waren es mit 1 bzw. 2 Prozent sogar weniger.
Es heißt ja, dass in jeder Krise auch eine Chance steckt. Gibt es auch positive Impulse, die die Krise angestoßen hat?
Ostermann: Die Krise wirkte in vielerlei Hinsicht wie ein Beschleuniger des Wandels der Wirtschaft. Interne Ressourcen und Prozesse wurden neu bewertet. Zuvorderst ist aber das Bewusstsein für digitale Kommunikation, Vertriebskanäle, Prozesse und Geschäftsmodelle weiter gewachsen. Ob Remote Working, IT-Sicherheit oder E-Commerce – in Bezug auf digitale Tools haben Unternehmen eine steile Lernkurve durchlaufen. Auch nach der Pandemie wird dies nicht wieder zurückgedreht werden.
Die Digitalisierung hat ohne Frage einen starken Schub in der Krise erhalten. Wo liegen noch Hürden für den digitalen Wandel?
Dr. Conen: Für die neue Form der Zusammenarbeit brauchen wir zum einen ein digitales Mindset, das sich noch nicht überall durchgesetzt hat. Alte Zöpfe im Verhalten müssen abgeschnitten werden, zugleich muss ein Klima geschaffen werden, das Lust auf Neues, aufs Ausprobieren und Lernen macht. Zum anderen sind bei vielen Unternehmen, aber auch in der öffentlichen Infrastruktur erhebliche Lücken zu Tage gefördert worden – zu lange wurden in der Vergangenheit notwendige Investitionen in der Digitalisierung aufgeschoben. Diese Lücke muss nun geschlossen werden, damit die Firmen an Resilienz gewinnen.
Stichwort „aufgeschobene Investitionen“ – wie blicken Sie auf das zweite Halbjahr 2021?
Ostermann: Wir blicken verhalten optimistisch auf das zweite Halbjahr. Wenn mit zunehmendem Impfschutz die Corona-Beschränkungen aufgehoben werden, dürfte einer kräftigen Ausweitung der Wirtschaftsaktivitäten nichts mehr im Wege stehen. Der Export hat bereits angezogen, die Auftragsbücher in der Industrie füllen sich spürbar. Getragen wird dieser Aufschwung vom Export und hier vor allem von dem Wachstum in China und der vergleichsweise guten Wirtschaftsentwicklung der USA, die durch die verabschiedeten Programme der Biden-Administration weiteren Schub erhalten.
Wir hoffen, dass mit nachlassender Verunsicherung die Unternehmen auch wieder verstärkt investieren. Denn für Aufschwung und Wirtschaftswachstum brauchen wir Investitionen. Nach Schätzungen der führenden Wirtschaftsinstitute sollen die Ausrüstungsinvestitionen im laufenden Jahr um 8,7 Prozent steigen, im nächsten Jahr um 6,5 Prozent. Davon wird die Leasing-Branche profitieren können. Volkswirtschaftlich gesehen, ist es jedoch fraglich, ob diese Steigerungsraten ausreichen, um den Investitionsrückstand aufzuholen, der ja schon vor der Pandemie bestand.
Dr. Conen: Auf die Leasing-Branche kommt eine besondere Rolle zu, denn Leasing kann wie schon in der Vergangenheit als Investitionsmotor wirken – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Ein hilfreiches Instrument, um Investitionen und damit den Aufschwung zu fördern, wäre eine staatliche Absicherung von KMU-Investitionen, wie wir sie schon während der Pandemie gefordert haben. Wir setzen uns daher bei der Politik für die Absicherung von Leasing-Investitionen mittels KfW-Globaldarlehen ein. Für diese Initiative konnten wir bereits eine Reihe von Verbänden mobilisieren, unterstützt werden wir in der Breite von DIHK und dem ZDH. Auch andere Verbände der Automobil- und Bauwirtschaft machen sich für unser Anliegen stark.
2021 ist ein Wahljahr, was erwarten Sie von der Politik?
Ostermann: Die künftige Bundesregierung muss zeigen, welche Prioritäten sie setzen will: Will sie in die Zukunft des Standortes Deutschland investieren oder geht es ihr vorrangig um Steuererhöhungen, um die entstandenen Schulden abzubauen? Wir haben ein Positionspapier erstellt, das der Politik Handlungsempfehlungen für verschiedene Bereiche aufzeigt, zum Beispiel zur Stärkung des Mittelstandes oder zur Förderung von Innovation und Investitionsvielfalt. Im Fokus steht die Forderung, die Unternehmen vor allem des Mittelstandes weniger zu belasten und überbordende Bürokratie abzubauen.
Dr. Conen: Ganz konkret empfehlen wir, Gesetze und Regelungen nach einem One in/One out-Prinzip zu erlassen. Bei allen Gesetzesinitiativen gilt es zudem, die Folgen für KMU abzuschätzen. Denn das deutsche Wirtschaftsmodell fußt auf dem Mittelstand und seiner ausgeprägten Vielfalt. Diese Vielfalt gilt es zu bewahren. Maßnahmen im Sinne eines One size fits all-Ansatzes bedrohen dagegen diese Vielfalt. Die Gleichbehandlung ungleicher Unternehmen verhindert Innovationen und begünstigt die Konsolidierung von kleinen und mittleren Unternehmen. Dies hat die Leasing-Branche in puncto Regulatorik am eigenen Leib erfahren müssen.
Welche Themen werden den Mittelstand und die Leasing-Branche in der Post-Corona-Zeit beschäftigen?
Ostermann: Neben der Digitalisierung ganz klar das Themencluster Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz. Das sind die nach Corona beherrschenden Themen, die längst auch im Leasing-Geschäft angekommen sind: Kunden fragen nach Nachhaltigkeitsaspekten und auch bei den refinanzierenden Banken steigt die Bedeutung des Themas. Der BDL arbeitet an einem Konzept, wie wir unsere Mitglieder unterstützen können. Zugleich kommunizieren wir die Bedeutung der Leasing-Wirtschaft für die Realisierung der notwendigen Investitionen in „grüne“ Technologien und die Schlüsselrolle von Leasing für die Kreislaufwirtschaft.
Darüber hinaus beschäftigt die Branche weiterhin der Regulierungsdruck, der immer noch zunimmt – unberücksichtigt der schon in den vergangenen Jahren gestiegenen regulatorischen Anforderungen an die Leasing-Gesellschaften. Dies zeigen z. B. die Novellen von MaRisk und BAIT, die wieder von Leitlinien der EBA geprägt sind und sich primär an den Prozessen und Systemen großer Banken orientieren. Proportionalität und Differenzierung stoßen immer häufiger an eng gezogene Grenzen.
Der BDL hat einen neuen Verbandsschwerpunkt auf „Mobilität“ gelegt, warum? Und wo setzen Sie weitere Schwerpunkte in der Verbandsarbeit?
Ostermann: Das Thema Mobilität ist eng mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz verknüpft. Hier werden neue Formen gesucht, die umwelt- und ressourcenschonend sind, die Lebensqualität erhalten und wirtschaftlich praktikabel sind. Gerade die Leasing-Branche ist aufgefordert, die Zukunft der Mobilität mitzugestalten. Schließlich macht allein das Segment Fahrzeugleasing etwa zwei Drittel des gesamten Leasing-Neugeschäfts aus.
Dr. Conen: Dieses Jahr haben wir einen Arbeitskreis „Mobilität für Deutschland“ ins Leben gerufen, in dem Vertreterinnen und Vertreter von Leasing-Gesellschaften und Partnern unseres assoziierten Mitglieds VMF – Verband markenunabhängiger Mobilitäts- und Fuhrparkmanagementgesellschaften – mitarbeiten. Dabei war uns wichtig, die Branchenvielfalt, die sich in den Geschäftsmodellen und der Eigentümerstruktur widerspiegelt, zusammenzubringen. Das Gremium beschäftigt sich mit den Mobilitätsfragen der Zukunft. Die Diskussionen werden einmal im Jahr in eine neue Veranstaltung fließen, das „Forum Mobilität“.
Ostermann: In den nächsten Monaten liegt ein weiterer Verbandsschwerpunkt auf der Begleitung des Bundestagswahlkampfes und später der neuen Regierung, auch in Kooperation mit anderen Wirtschaftsverbänden.
Dr. Conen: Nach den Wahlen werden wir uns an die neu gewählten Bundestagsabgeordneten wenden, um diese über Leasing zu informieren und Basiswissen aufzubauen. Eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit setzt auch nach Corona Kenntnisse und persönliche Kontakte voraus.
Kai Ostermann als Präsident bestätigt
Kai Ostermann (Deutsche Leasing AG) ist im Mai 2021 als Präsident des Bundesverbandes Deutscher Leasing-Unternehmen (BDL) wiedergewählt worden. Die 40. Mitgliederversammlung des BDL bestätigte auch die beiden Vizepräsidenten Jochen Jehmlich (GEFA Bank GmbH) und Thomas Kolvenbach (COMCO Leasing GmbH).
Die Mitglieder des BDL wählen alle drei Jahre den Verbandsvorstand. Neu im Vorstand sind Olaf Meyer (Siemens Finance & Leasing GmbH) und Andreas Werner (Merca Leasing GmbH & Co. KG). Bestätigt wurden die bisherigen Vorstände Maximilian Meggle (MMV Leasing GmbH), Marion Schäfer (Miller Leasing Miete GmbH), Kerstin Scholz (VR Smart Finanz AG) und Marcus Schulz (Arval Deutschland GmbH).