Investitionsperspektiven und -voraussetzungen
Starke Reaktionen bei den Unternehmensinvestitionen im Gefolge einer Krise gehören zu den bekannten Fakten eines Konjunkturzyklus. Vielfältige Unsicherheiten über die Nachfrageentwicklung oder eingeschränkte Finanzierungsoptionen führen in Rezessionen oftmals zu einer schnellen und deutlich ausgeprägten Investitionszurückhaltung. Das zeigt sich vor allem bei den Ausrüstungsinvestitionen, zu denen Maschinen, Fahrzeuge und Geschäftsausstattungen gehören.
Investitionslücke von über 10 Prozent
Die in Deutschland schon im Vorfeld der Corona-Pandemie zu beobachtende konjunkturelle Verlangsamung hatte bereits im Jahr 2019 die Investitionstätigkeit der Unternehmen deutlich abgebremst (Abbildung „Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland“). Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und den absehbaren Beeinträchtigungen im Wirtschaftsleben gingen im Frühjahr 2020 die Ausrüstungsinvestitionen deutlich bergab – vergleichbar mit dem starken Einbruch während der globalen Finanzmarktkrise von 2008/2009. Besonders im zweiten Quartal 2020 lagen sie um knapp 24 Prozent unter dem entsprechenden Vorjahresniveau. Nach der kräftigen Erholung im dritten Quartal stagnierten die Ausrüstungsinvestitionen im vierten Quartal 2020 und sie gaben dann bis zum Frühjahr 2021 nochmals nach. Gegenüber dem Jahresdurchschnitt 2019 besteht seit dem dritten Quartal 2020 eine hartnäckige Investitionslücke von über 10 Prozent. Die deutsche Wirtschaft – und mit ihr vor allem die Investitionen – befinden sich im Wechselbad der Pandemie.
Entwicklung der Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland
Normalisierung der Investitionstätigkeit 2022
Bei den Ausrüstungsinvestitionen wird in Deutschland im Jahr 2021 ein merkliches Plus erwartet, das Vorkrisenniveau von 2019 wird aber wohl nicht erreicht. Die realen Ausrüstungsinvestitionen dürften 2021 gegenüber 2020 um rund 6,5 Prozent zulegen, der Einbruch vom vergangenen Jahr in Höhe von 12 Prozent wird damit nicht wettgemacht. Die Normalisierung der Investitionstätigkeit verschiebt sich auf 2022. Diese nur allmählich in Fahrt kommende Investitionstätigkeit in Deutschland wird auch durch die Konjunkturumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft vom Frühjahr 2021 untermauert. Die Abbildung „Investitionsperspektiven für 2021“ zeigt dazu die Investitionserwartungen der Unternehmen für das Gesamtjahr 2021, und zwar den Anteil der Firmen, die mit höheren oder niedrigeren Investitionen in ihrem eigenen Unternehmen rechnen. Demnach geht ein Drittel der deutschen Firmen davon aus, dass ihre Investitionen im Jahr 2021 über dem Vorjahresniveau liegen werden. Ein Viertel der Befragten geht allerdings von einem Rückgang aus. Dabei bestehen kaum Unterschiede zwischen den Industrie- und den Dienstleistungsunternehmen. Im Baugewerbe dominiert eher Zurückhaltung, wobei in diesem Wirtschaftszweig die Investitionstätigkeit im Krisenjahr 2020 weit weniger gelitten hat als in der Industrie und in vielen Dienstleistungsbereichen.
Investitionsperspektiven für 2021
Anteil von Unternehmen, die für das Gesamtjahr 2021 eine Zunahme oder Abnahme bei ihren Investitionen erwarten, in Prozent
Voraussetzungen für Erholung bei Investitionen
Die Erholung bei den Investitionen in Deutschland läuft aber nicht automatisch, sondern sie knüpft an wichtige Voraussetzungen an:
Der Welthandel hat sich trotz der in vielen Ländern hartnäckigen Pandemie kräftig erholt – und damit hat sich auch das Investitionsklima in Deutschland aufgehellt. Es brauchte nur ein halbes Jahr, bis der Welthandel (gemessen an den globalen Einfuhren) nach seinem starken Einbruch in Höhe von 13 Prozent im Frühjahr 2020 wieder das Niveau vom Jahresanfang 2020 erreicht hatte. Um den im Tiefpunkt nur um 5 Prozentpunkte stärkeren Rückgang beim Weltimport im Gefolge der globalen Finanzmarktkrise 2008/2009 auszugleichen, brauchte es damals 20 Monate. Der aktuell kräftige Weltwirtschaftsimpuls hat sich bislang in hohem Maß, aber nicht vollumfänglich auf das deutsche Auslandsgeschäft übertragen. Die globale Investitionsgüternachfrage – die für die deutsche Exportindustrie eine herausragende Bedeutung hat – ist insgesamt noch zurückhaltend. Zieht aber der globale Investitionszyklus im Jahresverlauf 2021 an, dann wird dies auch die deutschen Exporte weiter antreiben und die Investitionsstimmung hierzulande verbessern. Dazu müssen anhaltend kräftige Impulse aus den USA und Asien kommen und die europäische Investitionsmüdigkeit muss sich zurückbilden. Zudem darf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie – durch Regulierungen, ansteigende Arbeitskosten oder Wechselkursschocks – nicht geschwächt werden.
Die Verunsicherungen resultieren derzeit weniger aus dem globalen Umfeld. Auch das Zinsniveau wird niedrig und insgesamt freundlich für Investitionen bleiben. Ein Teil der Firmen wird gleichwohl weiterhin ihre Liquiditätspositionen zu Lasten der Investitionen absichern. Mit der für das zweite Halbjahr 2021 erwarteten breitenwirksamen Erholung in Deutschland – vor allem beim Konsum und in den damit verbundenen Wirtschaftsbereichen – wird diese Vorkehrung abnehmen und dies sollte der privatwirtschaftlichen Investitionstätigkeit im Inland einen kräftigen Schub verleihen. Zur Füllung der markanten Investitionslücke und zur fortschreitenden Modernisierung der Kapitalausstattung ist dies notwendig.
Investitionsfreundliche Rahmenbedingungen vorausgesetzt
Eine Verstetigung des künftigen Investitionspfads setzt verlässliche und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen am Standort Deutschland voraus. Dazu zählen wettbewerbsfähige Steuersätze und Energiekosten sowie angemessene Investitions- und Innovationsbedingungen, auch um die strukturellen Herausforderungen durch Digitalisierung und Dekarbonisierung zu bewältigen.
Die Pandemie hat ein weiteres Mal die Mängel der öffentlichen Infrastrukturen in Deutschland aufgezeigt. Öffentliche Investitionen sind in Teilen komplementär zu privaten Investitionen. Die notwendige Konsolidierung der Staatsschulden in den kommenden Jahren darf nicht zu Lasten der staatlichen Investitionen gehen.
Die notwendige Erholung der unternehmerischen Investitionen muss durch die Wirtschaftspolitik zeitkonsistent abgesichert werden – um langfristige Schäden am Wachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft zu vermeiden.
Professor Dr. Michael Grömling, 1965 in Würzburg geboren, ist seit 1996 beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln und leitet die IW-Forschungsgruppe Gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunktur. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Internationalen Hochschule Bad Honnef/Bonn und hat zudem einen Lehrauftrag an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg zum Thema Business Integration. Seine Forschungsgebiete sind Konjunktur, Wachstum und Strukturwandel, Unternehmensstatistik und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen.